Nachhaltigkeit ist eine Zeitfrage
Zum ersten Mal wird von der Politik offiziell anerkannt, dass beim Thema Nachhaltigkeit nicht nur zählt, wie viel Strom verbraucht wird – sondern wann.
Mit der neuen Verordnung zu zeitvariablen Netzentgelten will die E-Control Stromkundinnen und -kunden dazu anregen, ihren Verbrauch stärker an das Stromangebot aus erneuerbaren Energien anzupassen.
Das bedeutet konkret: Bis zu 20 % geringere Netzgebühren, wenn Sie Ihren Stromverbrauch in die Zeit von 10 bis 16 Uhr verlagern, also genau dann, wenn Photovoltaik-Anlagen besonders viel Energie erzeugen.
Was geplant ist
Ab 2026 wird es in Österreich voraussichtlich erstmals zeitlich unterschiedliche Netzentgelte geben. Die E-Control führt dafür einen sogenannten Sommerarbeitspreis (RSAP) ein, mit einem Rabatt von rund 20 % auf die Netzentgelte im Zeitraum von April bis September, täglich von 10 bis 16 Uhr. So soll netzdienliches Verhalten belohnt und der teure Netzausbau etwas gebremst werden.
Der Rabatt wird automatisch verrechnet, sobald die Viertelstundenwerte im Onlineportal Ihres Netzbetreibers aktiviert sind.
Noch ist die Verordnung nicht beschlossen – die Begutachtung läuft bis 14. November 2025, danach wird entschieden, wie die zeitvariablen Entgelte tatsächlich umgesetzt werden.
Warum das wichtig ist
Zeitvariable Netzentgelte sind kein bürokratischer Feinschliff, sondern ein echter Hebel für die Energiewende. Sie sollen Haushalte und Unternehmen motivieren, ihren Verbrauch stärker am Stromangebot auszurichten, also dann Strom zu nutzen, wenn er im Überfluss vorhanden ist.
So können Netze stabiler betrieben, teure Ausbauten reduziert und erneuerbare Energien besser genutzt werden.
Kurz gesagt: Wer flexibel ist, hilft nicht nur der Umwelt, sondern auch der eigenen Brieftasche.
Unterschiedliche Stimmen im Markt
Während PV Austria den Vorschlag als wichtigen Schritt hin zu mehr Flexibilität und Intelligenz im Stromsystem begrüßt, zeigt sich der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) kritisch gegenüber parallelen politischen Plänen.
In den laufenden Verhandlungen zum Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) gibt es Überlegungen, zusätzliche Netzgebühren für Stromerzeuger einzuführen. Das, so der EEÖ, würde den Ausbau erneuerbarer Energien unnötig verteuern und die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Betriebe gefährden.
Stattdessen fordert der Verband einen 10-Punkte-Fahrplan, um die Netzkosten nachhaltig zu senken: mehr Transparenz, eine bessere Nutzung von Smart-Meter-Daten, flexible Netzzugänge und variable Tarife, die sich an tatsächlicher Netzlast und Tageszeit orientieren.
Was das für Sie bedeutet
Für Sie als Stromkundin oder Stromkunde ist klar:
Die Richtung stimmt. In Zukunft wird es sich noch mehr lohnen, Verbrauch flexibel zu planen und zwar nicht nur wegen der Strompreise, sondern auch wegen der Netzentgelte.
Wenn Sie eine Wärmepumpe, einen Wasserboiler, eine Wallbox oder einen Hausspeicher betreiben, haben Sie bereits ideale Voraussetzungen, um von zeitvariablen Entgelten zu profitieren.
“Es soll der Anreiz bestehen, dass man den Strom dann verbraucht, wenn der Strom von der Photovoltaikanlage erzeugt wird – also zu Mittag“, erklärt Vera Immitzer, Geschäftsführerin von Photovoltaic Austria. Österreich setze sich mit diesem Modell an die Spitze der EU, so Immitzer.
Die neuen Stromnetzentgelte 2026 im Überblick
Nach dem Rekordanstieg 2025 steigen die Stromnetzentgelte im kommenden Jahr nur leicht um durchschnittlich 1,1 %.
In Vorarlberg, Kärnten, Wien und der Steiermark sinken sie sogar leicht, den deutlichsten Rückgang verzeichnet Salzburg mit –9 %.
Deutliche Steigerungen gibt es hingegen in Niederösterreich (+6,9 %), Tirol (+11,2 %) und im Burgenland (+16,1 %).
Der österreichweite Durchschnitt liegt laut aktuellem Entwurf bei 9,38 Cent pro kWh (netto). Der genaue Wert hängt also stark von Ihrem Wohnort ab und künftig auch davon, wann Sie Strom verbrauchen.
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: E-Controll
So funktioniert das neue Modell in der Praxis
Das reduzierte Netzentgelt wird automatisch verrechnet, sobald Ihr Netzbetreiber die erforderlichen Smart-Meter-Daten erhält. Als Spotty-Kundin oder -Kunde ist das bereits der Fall, Sie profitieren also ganz automatisch von den günstigeren Tarifen.
Neben Haushalten profitieren auch Industriekunden: Wer flexibel ist und Prozesse in die günstigen Stunden verlagert, kann ebenfalls sparen. Zunächst gilt das Modell für Unternehmen der Netzebenen 3 und 4, also vor allem für mittlere und große Betriebe.
Markterwartung für den Winter 2025/26
Am Strommarkt selbst hat sich zuletzt nur wenig verändert, die Preise zeigen sich stabiler als im Vorjahr. Während im Herbst 2024 die Strompreise gegen Ende Oktober deutlich anzogen, weil weniger erneuerbare Energie zur Verfügung stand, bleibt dieser Effekt heuer aus. Der Markt geht derzeit von sehr stabilen Preisen für Herbst und Winter aus.
Zum Vergleich:
Von November 2024 bis Februar 2025 lag der durchschnittliche Spotpreis bei 13,35 Cent/kWh.
Für denselben Zeitraum in diesem Winter erwarten die Händler rund 11,5 Cent/kWh,
nur der Jänner wird mit etwa 12,5 Cent/kWh etwas höher gehandelt.Für das Kalenderjahr 2026 rechnet der Markt weiterhin mit 9 bis 10 Cent/kWh.
Damit bleibt die Gesamtaussicht bemerkenswert stabil – ein gutes Zeichen für Haushalte und Betriebe, die ihre Verbrauchszeiten künftig stärker an günstige Netzentgeltfenster anpassen können.
Fazit: Das Timing zählt – und der Blick auf Ihre Rechnung auch
Die geplanten zeitvariablen Netzentgelte sind ein Meilenstein auf dem Weg zu einem intelligenten und fairen Stromsystem. Wer künftig seine Geräte in die Sonnenstunden von 10 bis 16 Uhr legt, kann sparen und trägt gleichzeitig zur Entlastung des Stromnetzes bei.
👉 Tipp: Werfen Sie bei Gelegenheit einen Blick auf Ihre eigene Stromrechnung. Dort sehen Sie schon heute, wie sich Ihre Stromkosten zusammensetzen und wie viel größer der Anteil der Netzentgelte im Vergleich zum reinen Energiepreis tatsächlich ist. Wir freuen uns darauf, wenn moderne Haushalte, Betriebe und die Landwirtschaft von diesem zusätzlichen Sparpotenzial profitieren können.